„Der Neumarkt – Kölns bewegte Mitte“: Helmut Gabels Buch erzählt die Geschichte eines Kölner Brennpunkts

Dezember 27, 2025 Köln

Der Kölner Neumarkt steht aktuell im Mittelpunkt zweier Diskussionen: Da ist zum einen der Drogenkonsum und die ihn begleitende Kriminalität und Verwahrlosung des Platzes, zum anderen die künftige Verkehrsplanung im Zusammenhang mit der geplanten U-Bahn unter der Ost-West-Achse. Da passt es, dass der Greven-Verlag mit Helmut Gabels Buch „Der Neumarkt – Kölns bewegte Mitte“ einen ebenso spannenden wie umfassenden Blick auf die Geschichte dieses zentralen Platzes öffnet.

Viele Fakten, aber nie langweilig

Es ist eine überaus faktenreich erzählte Geschichte, aber nie langweilig und für die meisten Leser wohl immer wieder mit Überraschungen aufwartend. Dabei lässt Gabel auch die angrenzenden Straßen nicht aus dem Blick, auf die der Platz ausstrahlt – und umgekehrt. Zahlreiche historische Illustrationen – Gemälde, Zeichnungen, Fotos – bieten zusätzliches Lektürevergnügen.

In sieben chronologisch geordneten Kapiteln erzählt der Historiker die Geschichte der heutigen Problemzone. Die beginnt in der Römerzeit, als er als Nobelviertel am Rande der Innenstadt lag, aber schon damals an der Ost-West-Hauptverkehrsachse. 1076 wird er dann erstmals als „Neumarkt“ schriftlich erwähnt, steht aber in seiner Bedeutung im Schatten von Alter Markt und Heumarkt.

Zentrum für Religion und Wirtschaft

Mit dem Bau von St. Aposteln und einem Armenhospital wurde der Platz zu einem wichtigen und prägenden Bestandteil des „hilligen“ Köln. Aus dem Luxusviertel für den Adel und die wohlhabende Oberschicht wurde im Laufe der Jahrhunderte ein Ort für angesehene Geschäfte. Er wurde nicht nur durch das Hauptquartier der Stadtgarde, der Roten Funken, ein militärischer Mittelpunkt.

Ein Gefängnis gab es hier, einen Pranger und gleich an der Ecke zur Schildergasse das Polizeipräsidium, in dem bis 1935 auch die Gestapo arbeitet. Und immer wieder war der Neumarkt auch wichtiger Sportplatz und kultureller Treffpunkt mit Theater, Kinos, Filmfestivals und Kunstmärkten. Nicht zuletzt 1823 Ausgangspunkt für den ersten organisierten Rosenmontag. Und nicht erst beim autogerechten Umbau der Innenstadt in den 1950er Jahren wurde er zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt.

Weltgeschichte landet auf dem Neumarkt

So setzt sich die Geschichte des Neumarkts aus vielen Strängen zusammen. Wie sich diese gegenseitig behinderten oder förderten, ist spannend zu lesen. Nicht zu vergessen auch die große Geschichte, die sich hier widerspiegelt. Die deutschen Kaiser wohnten hier während der Reichstage, Napoleon wurde bei seinem Besuch begeistert gefeiert, ebenso begeistert wurden die Franzosen später vertrieben. Gefeiert wurde hier 1866 auch der Sieg Preußens über Österreich.

Nicht zuletzt die NS-Zeit. Die jüdischen Geschäftsleute vom Neumarkt wurden enteignet und verfolgt, die Stadt kauft viele ihrer Häuser billig auf. Mit nationalsozialistischer Hang zum Monumentalem plant der Kölner Architekt Clemens Klotz eine bis zu 60 Meter breite Prachtstraße vom Aachener Weiher zur Deutzer Brücke. Umgesetzt wurden nur das 30 Meter breite Stück zwischen Rudolfplatz und Neumarkt und der Durchbruch zur Cäcilienstraße.

Zahlreiche Gebäude wurden dafür abgerissen. Was stehen blieb, fiel den Bombenangriffen auf Köln zum Opfer: Der weithin sichtbare Neumarkt war dafür ein idealer Zielpunkt. Doch schon bald begann der Wiederaufbau. Klotz – Architekt der Ordenburg Vogelsang und des KdF-Seebads Prora – baute 1952 an der Ostseite ein Büro- und Geschäftshaus.

Der ungewisse Blick in die Zukunft

Bleibt der Blick auf den Neumarkt von heute und seine Zukunft. Bei letzterem muss der Historiker zwangsläufig vage bleiben. Ob eine Neuordnung des Verkehrs die ideale und dauerhafte Lösung bringt, dürfte noch heftig diskutiert werden. Ansonsten setzt Gabel darauf, dass der Platz als „Herzstück der Stadt“ überlebt.

Und so endet das Buch nicht konkret, aber hoffnungsvoll: „Der Neumarkt bleibt ein Platz im Wandel – unbequem, widersprüchlich, aber voller Potenzial. Er ist Köln im Kleinen – lebendig, chaotisch, unperfekt und doch voller Charme. Der Neumarkt wird niemals stillstehen. Denn er ist Köln – in Bewegung.“

Helmut Gabel: „Der Neumarkt – Kölns bewegte Mitte“ – Greven-Verlag, Köln 2025. Hardcover, Lesebändchen, 175 Seiten, 22 Euro